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Wie KI die Elektrokonstruktion neu definiert

Artikel und Interview mit WSCAD CEO Dr. Axel Zein im Fachmagazin Schaltschrankbau (November 2025)

Wie KI die Elektrokonstruktion neu definiert: Vom Zeichner zum Dirigenten

Wiederkehrende Aufgaben bestimmen den Alltag vieler Elektrokonstrukteure – vom Nachzeichnen von Schaltplänen bis zur Übersetzung technischer Dokumente. Mit ELECTRIX AI 2026 zeigt WSCAD, wie sich diese Routinen durch künstliche Intelligenz nahezu vollständig automatisieren lassen. Das Ergebnis: weniger Stress, mehr Effizienz – und ein neues Selbstverständnis für Ingenieure.

In der Praxis verbringen ein Elektrokonstrukteure einen Großteil ihrer Zeit mit Routineaufgaben: Schaltpläne nachzeichnen, Normen prüfen, Übersetzungen erstellen, Schaltschranklayouts planen. Tätigkeiten, die Zeit kosten, die Freude an der Arbeit mindern und wenig Raum für kreative Arbeit lassen. „Ein Elektrokonstrukteur möchte technische Lösungen erzeugen, technische Probleme lösen und nicht tagelang in Elektro-CAD-Schulungen verbringen“, betont Dr. Axel Zein, CEO von WSCAD in einem Vortrag. „Genau hier setzt unsere KI-Lösung an.“ Mit ELECTRIX AI 2026 automatisiert WSCAD den gesamten Prozess der Schaltschrankplanung: PDFs werden automatisch importiert, Symbole und Leitungen erkannt, Komponentendaten ergänzt und in ein vollständiges, bearbeitbares Projekt konvertiert. Übersetzungen in über 100 Sprachen erfolgen in Sekunden. Ein Schaltschranklayout, das früher Stunden dauerte, entsteht heute in zwei Minuten – inklusive Routing, thermischer Berechnung und funktionaler Gruppierung. „Damit können Ingenieure ihre Rolle neu definieren: weg von Routine, hin zum Dirigenten, der Projekte orchestriert, Qualität sichert und kreative Lösungen umsetzt“, erklärt Zein.

WSCAD CEO Dr. Axel Zein auf der WSCAD Pressekonferenz im September 2025

KI in der Elektrokonstruktion

Er verweist darauf, dass nicht jede als KI deklarierte Funktion echter künstlicher Intelligenz entspricht. Die Basis bilde immer das maschinelle Lernen: Algorithmen erkennen Muster und treffen Vorhersagen. Deep Learning erweitert diese Prinzipien, indem es neuronale Netze simuliert und komplexe, nicht-linear vorhersehbare Aufgaben löst. In ELECTRIX AI fließen maschinelles Lernen, ingenieurtechnische Regeln und Multi-Agenten-Systeme zusammen. Diese Agenten übernehmen Teilaufgaben wie Layoutplanung, Komponentenwahl oder Routing – und arbeiten bei großen Projekten parallel. So entstehen optimierte Lösungen in Bruchteilen der üblichen Zeit. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine steigert Effizienz, Geschwindigkeit und Genauigkeit. „Die Aufregung um KI ist berechtigt“, sagt Zein. „Was früher Tage dauerte, erledigen diese Agenten in Minuten – manchmal in Sekunden.“

Jobtransformation statt Jobverlust

Die Sorge vor Arbeitsplatzverlusten hält Zein für unbegründet. Laut World Economic Forum werden bis 2030 92 Millionen Jobs zwar verschwinden, aber gleichzeitig 170 Millionen neue entstehen – ein Nettozuwachs von 78 Millionen Arbeitsplätzen. „KI wird jeden Beruf verändern“, so Zein. „Die Frage ist: Wie?“ Für Elektrokonstrukteure bedeutet das: KI übernimmt zeitfressende Aufgaben wie Normprüfungen oder Übersetzungen. Ingenieure werden zu Projektleitern, die KI-Agenten koordinieren, Ergebnisse prüfen und kreative Lösungen entwickeln. Das steigert Effizienz, senkt Stress und schafft Raum für Innovation – ein Gewinn für Unternehmen und Fachkräfte gleichermaßen. „Wir sehen darin eine tolle Zukunft“, sagt Zein.

Praxis: Vom PDF zum fertigen Schaltschrank

Eine WSCAD-Umfrage unter 1.266 Elektrokonstrukteuren aus 40 Ländern zeigt: 42 Prozent starten ihre Projekte mit PDF-Unterlagen, 20 Prozent mit Papier, 20 Prozent mit Autodesk, der Rest mit anderen Formaten. Bisher mussten diese mühsam nachgezeichnet werden. ELECTRIX AI konvertiert sie nun automatisch in editierbare Schaltpläne – inklusive Übersetzungen, Layout, Routing und thermischer Berechnung. Ingenieure können aber auch sogenannte Inflection Points definieren, etwa kritische Komponenten, während die KI die restliche Planung übernimmt. So verbinden sich individuelle Planungskompetenz und automatisierte Effizienz. Praxisbeispiele belegen laut Zein beeindruckende Zeitgewinne: Projekte, die früher sechs Stunden beanspruchten, sind nun in zwei Minuten abgeschlossen. Übersetzungen, einst tagefüllend, dauern nur noch Minuten. Axel Zein zeigt sich begeistert: „KI nimmt dem Elektrokonstrukteur die ganzen Aufgaben ab, die er gar nicht gerne macht. Dabei hat er viel weniger Stress im Job. Er kann smart arbeiten, weil er in 20 Prozent seiner Zeit 80 Prozent seiner Aufgaben mit KI erledigen kann.“

Innovation ohne Innovationsmanager

Dass WSCAD 2025 sowohl den Schaltschrankbau Innovation Award als auch den Top 100 Innovator Award erhielt, führt Zein auf die Unternehmenskultur zurück: Statt eines Innovationsmanagers gibt es Freiraum zum Experimentieren. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können neue Ideen testen, aus Fehlern lernen und Prozesse kontinuierlich verbessern. Kunden wie Isar Aerospace, Rocket Factory Augsburg und Wago nutzen die KI bereits – teils mit bis zu 50 % Zeitersparnis.

Karrierechancen und KI-Zertifizierung

Damit noch nicht genug: WSCAD bietet als erster Hersteller eine KI-Zertifizierung für Elektrokonstrukteure an. Ziel ist es, Kompetenzen in KI, technischem Fachwissen und kreativem Denken zu bündeln – Fähigkeiten, die künftig stark gefragt sind. „Damit können Ingenieure ihre Karriere aktiv gestalten und sich als KI-Experten positionieren“, sagt Zein.

Strategische Einbindung: Wertebasierte KI

Weitere Vorträge von Dr. Siegmar Haasis, Haasis DEC und ehemaliger CIO R&D bei Mercedes-Benz, sowie von Jörg Baader, Baader, lieferten ergänzende Perspektiven auf die strategische Dimension von KI. Haasis zeigte, dass KI nur wirksam ist, wenn sie entlang von klar definierten Werten eingesetzt wird. Für Mercedes-Benz bedeutete das: 30 Prozent Kostenreduktion, zwölf Monate kürzere Entwicklungszeiten und hohe Produktqualität. Digitale Zwillinge und virtuelle Validierung ersetzen Hardware-Prototypen, beschleunigen Prozesse und minimieren Fehler – ein Ansatz, der universell auf industrielle Anwendungen übertragbar ist. Baader ergänzte die Praxisperspektive: Auch in einem mittelständischen Unternehmen kann KI die Effizienz exponentiell steigern. „Wir haben einen Experten, der den Schaltschrankaufbau perfekt beherrscht. Wenn er ausfällt, geht Wissen verloren. Mit KI können wir dieses Wissen skalieren und allen zugänglich machen.“

Zukunft der Elektrokonstruktion

ELECTRIX AI 2026 steht exemplarisch für eine neue Ära in der Elektrokonstruktion. KI steigert Effizienz, reduziert Fehler und eröffnet Ingenieuren Freiräume für kreative Arbeit. „Die Elektrokonstruktion befindet sich im Umbruch“, resümiert Zein. „KI macht aus Konstrukteuren Projektdirigenten – produktiver, entspannter und innovativer als je zuvor.“

„Mein Rat ist: Starten Sie mit KI jetzt, nicht morgen!“

Interview von Dipl.-Ing. (FH) Ines Stotz, Leitende Redakteurin TeDo Verlag GmbH mit Dr. Axel Zein, CEO der WSCAD GmbH

Dr. Zein, wann hatten Sie den Moment, an dem Sie dachten: Jetzt verändert KI den Schaltschrankbau wirklich grundlegend?
A. Zein: DIch würde das gar nicht auf den Schaltschrankbau beschränken, sondern auf die Elektrokonstruktion insgesamt. Mein Aha-Moment liegt schon einige Jahre zurück: Ich sah ein Video des CTO von HubSpot, der einfach eintippte: ‘Give me the five best sales reps in South America’ – und das System lieferte das Ergebnis automatisch. Da war mir klar: Diese Art von Automatisierung wird ganze Branchen verändern. Kurz darauf starteten wir bei WSCAD ein Proof of Concept, um zu prüfen, ob sich solche Ansätze auch in der Elektrokonstruktion umsetzen lassen. Das war so erfolgreich, dass daraus unsere heutige KI-Software entstand. Parallel experimentierte ein zweites Team mit eigenen Ideen – aus beidem wurde ELECTRIX AI 2026. Ich bin überzeugt: In einem Jahr gibt man Anforderungen ins System ein – und die Software startet automatisch mit der Umsetzung. Was wir heute sehen, ist erst der Anfang.

Was macht ELECTRIX AI 2026 aus Ihrer Sicht einzigartig?
A. Zein: ELECTRIX AI 2026 ist kein klassisches ECAD-System mehr, das ein Mensch stumpf bedient. Es wird zu einem intelligenten Partner – einem echten Assistenten für den Elektroplaner. So etwas gibt es bisher in der Elektrokonstruktion nicht.

Welche Rolle spielte das Feedback von Pilotkunden?
A. Zein: Eine sehr große. Ich halte nichts davon, im Elfenbeinturm zu entwickeln. Innovation entsteht nur, wenn man früh mit Kunden zusammenarbeitet. Viele Anwender können sich anfangs gar nicht vorstellen, was KI leisten kann – es ist ein bisschen wie bei Henry Ford: Hätte er seine Kunden gefragt, hätten sie schnellere Pferde gewollt. Wir bauen daher kleine Prototypen, um zu zeigen, was machbar ist. Ein Kunde schlug etwa vor, bei der automatischen PDFKonvertierung gleich einen Quality Check einzubauen – um Planungsfehler zu erkennen. Solche Impulse treiben uns enorm voran.

Was sehen Sie als größte Chance – und Grenze?
A. Zein: Die größte Chance liegt in der Geschwindigkeit, mit der sich Dinge verändern. Aber genau das ist auch die Herausforderung. Vor einem Jahr hätte ich ein System, das Anforderungen versteht und selbstständig Schaltungen erzeugt, für unrealistisch gehalten – heute halte ich es für machbar. Was in weiteren zwölf Monaten kommt, kann niemand vorhersagen. Die Entwicklung ist rasant, und es fließt enorm viel Kapital in das Thema.

Auch bei WSCAD?
A. Zein: Ja, das ist unser klarer Fokus – und ein wichtiges Differenzierungsmerkmal. Wir haben zudem eine Kultur, in der Fehler erlaubt sind. In der KI-Entwicklung gibt es keinen festen Pfad. Man muss Dinge ausprobieren, verwerfen und neu denken dürfen. So mussten wir unsere Modelle achtmal komplett verwerfen, bis sie funktionierten – jedes Mal haben wir dazugelernt. Diese Lernkultur ist entscheidend, um mit KI erfolgreich zu sein.

Was wünschen Sie sich, damit KI ihr Potenzial entfalten kann?
A. Zein: Mehr Offenheit gegenüber neuen Technologien. In Europa fragen wir oft zuerst, was schiefgehen könnte, und regulieren, bevor überhaupt etwas entsteht. Währenddessen sind andere schon viele Schritte weiter. Wir müssen mutiger werden, ausprobieren – und den Nutzen in den Vordergrund stellen.

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