Skip to main content

KI transformiert den Schaltschrankbau

Fachartikel im Magazin konstruktionspraxis (05-2025)

Die Integration von KI in der Elektroplanung automatisiert den Schaltschrankbau und macht das E-CAD-System zum Herzstück einer digital vernetzten und effizienten Produktionslandschaft.

Die Evolution des Computer-Aided Design (CAD) ist eine Geschichte technologischen Fortschritts: Vom digitalen Ersatz des Zeichenbretts hin zu hochvernetzten Plattformen, die Konstruktion, Fertigung und Dokumentation nahtlos integrieren. Auch in der Elektrotechnik hat dieser Wandel mit dem Einzug von E-CAD-Systemen seine Spuren hinterlassen Stromlaufpläne werden softwaregestützt erstellt, Normprüfungen automatisiert und Stücklisten per Mausklick generiert.

Bild 1
Der digitale Zwilling und künstliche Intelligenz ermöglichen den automatisierten Bau von Steuerungs- und Schaltanlagen und entlasten den Konstrukteur.

Flaschenhals Schaltschrankbau

Doch trotz aller Digitalisierung bleibt der Schaltschrankbau häufig das Nadelöhr im Engineering-Prozess: Manuelle Platzierung, Kabelkanalplanung und Verdrahtung sind weiterhin zeitintensive und fehleranfällige Schritte, die das Potenzial zur Effizienzsteigerung begrenzen.

Der Schaltschrankbau stellt in vielerlei Hinsicht eine Schnittstelle zwischen digitaler Planung und physischer Umsetzung dar Während die digitalen Werkzeuge zunehmend leistungsfähiger geworden sind, endet die Digitalisierung oft dort, wo physische Prozesse beginnen. Der Aufbau eines Schaltschranks erfordert eine Vielzahl von Entscheidungen: Wie werden Komponenten optimal platziert? Welche Kabelkanäle wählt man, um EMV-Anforderungen zu erfüllen? Wie lässt sich die Montagefreundlichkeit sicherstellen? Diese Entscheidungen wurden bislang meist von erfahrenen Ingenieuren getroffen – mit entsprechendem Zeitaufwand und Fehlerpotenzial.

Mit dem Einzug von KI in die E-CAD-Welt zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: KI-basierte Systeme analysieren historische Projektdaten, klassifizieren Komponenten nach funktionalen Gruppen und leiten Vorschläge für optimale Layoutmuster ab. Mechanische Abmessungen, EMV-Vorgaben, thermische Bewertungen und Montagefreundlichkeit fließen simultan in die Berechnungen ein. Was entsteht, ist kein starrer Entwurf, sondern ein adaptiver Plan, der sich dynamisch an Veränderungen anpasst. Komponentenverschiebungen, Variantenwechsel oder Retrofit-Szenarien werden automatisch neu berechnet – ohne manuelle Nacharbeit.

Bild 2
Aus dem Stromlaufplan erzeugt das E-CAD-System per Knopfdruck ein vollständiges 2D-Layout.

Digitale Zwillinge als Fundament

Die Grundlage dieser Entwicklung ist das Konzept des digitalen Zwillings. Bauteile sind nicht länger nur geometrische Objekte, sondern umfassend mit Metadaten versehen: Herstellerinformationen, elektrische Parameter, Materialeigenschaften und Prüfprotokolle. Diese Daten bilden die Basis für einen digitalen Zwilling, der sowohl in der Planung als auch in der Fertigung genutzt wird. Dank offener Schnittstellen wie Automation ML oder OPC UA lassen sich diese Informationen direkt an CNC-Bearbeitungszentren, Verdrahtungsautomaten oder Prüfsysteme übergeben. Selbst Änderungsrückmeldungen aus der Fertigung, etwa geänderte Bohrungen oder Abweichungen im Montageergebnis, fließen zurück in das Modell und optimieren so kontinuierlich den Prozess.

Ein praktisches Beispiel für den Nutzen dieser Technologien bietet der automatisierte Schaltschrankaufbau: Aus dem Stromlaufplan erzeugt das E-CAD-System per Knopfdruck ein vollständiges 2D-Layout. Bauteile werden gruppiert, Hut-Schienen und Kabelkanäle optimal verteilt, Verdrahtungspfade berechnet und Stücklisten erstellt Parallel werden thermische Belastungen, EMV-Kriterien und Servicezugänglichkeit geprüft. Dieser workflow-orientierte Ansatz reduziert  Medienbrüche, senkt Fehlerquoten und verkürzt Planungszyklen von mehreren Tagen auf wenige Stunden.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten der KI

Das Spektrum der Einsatzgebiete ist breit gefächert: Von der kollisionsfreien Routenplanung für Kabel und Leitungen in komplexen Installationsumgebungen über die automatische Stücklistenerstellung mit Lieferantenoptimierung bis hin zu Kl-gestützten Beschriftungssystemen, die Normen- und Kundenanforderungen dynamisch berücksichtigen. In der Instandhaltung könnten simulationsgestützte Planungen – etwa automatisiert generierte Prüfprotokolle für lnfrarotmessungen und Funktionsprüfungen – Wartungsabläufe optimieren.

Ein wichtiger Aspekt dieser Entwicklung ist die Nutzererfahrung: KI-basierte E-CAD-Systeme erkennen, ob sie mit einem erfahrenen Ingenieur oder einem gelegentlichen Anwender interagieren, und passen die Antwort entsprechend an. Experten erhalten erweiterte Steuerungsoptionen und umfangreiche Statistik-Views, während Gelegenheitsanwender durch geführte Dialoge unterstützt werden. Dieses adaptive User-Experience-Konzept fördert die Akzeptanz der Systeme und beschleunigt die Einarbeitung. Aus dem Stromlaufplan erzeugt das E-CAD-System per Knopfdruck e in vollständiges 2D-Layout. Ein Paradebeispiel ist die Software Electrix AL Die KI-gestützten Funktionen analysieren Planungsdaten, optimieren Layouts und unterstützen Ingenieure bei Routineaufgaben, um den Fokus auf das Wesentliche zu lenken: das Entwickeln innovativer Lösungen. Die Integration von AI-Copilot-Funktionen erleichtert dabei nicht nur die Planung, sondern verbessert auch die Zusammenarbeit zwischen Planung und Fertigung.

Strategisch betrachtet, legen Unternehmen, die heute in Kl-gestützte E-CAD-Systeme investieren, den Grundstein für Industrie 4.0. Sie schaffen durchgängige Datenketten vom Engineering bis zur Fertigung, reduzieren Planungsfehler und beschleunigen Änderungsprozesse. Digitale Zwillinge in Kombination mit Predictive Maintenance und KI-gestützter Betriebsführung ebnen den Weg für neue Geschäftsmodelle und Serviceansätze.

E-CAD weitergedacht

Die Integration von KI in E-CAD-Systeme verändert das Verständnis von Software im Engineering grundlegend. Sie entwickelt sich vom reinen Dokumentationswerkzeug zu einer aktiven Planungsinstanz, die Prozesse nicht nur begleitet, sondern gestaltet und beschleunigt. Der automatisierte Schaltschrankbau ist ein exemplarisches Feld, das zeigt, wie schnell und qualitativ hochwertig sich Abläufe transformieren lassen. Der eigentliche Mehrwert jedoch liegt darin, dieses Prinzip auf die gesamte elektrotechnische Planung und Fertigung auszuweiten und damit das E-CAD-System zum Herzstück einer digital vernetzten Produktionslandschaft zu machen.

Fazit:

Dank KI entwickelt sich Software vom Dokumentationswerkzeug zu einer aktiven Planungsinstanz, die Prozesse gestaltet und beschleunigt.

Artikel online lesen

Dieser Fachartikel ist ausschließlich für Ihre persönliche Verwendung bestimmt. Ein Nachdruck oder Veröffentlichung bedarf ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung des Verlags.

Karriere Beratung